Gilching - „Die Natur lässt sich nichts diktieren“

2022-07-29 21:22:24 By : Ms. Mina Mi

Ein Jahr ist es her, dass der Landwirt Georg Zankl aus Gilching seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat. Das verfolgen viele Kollegen mit großem Interesse. Schließlich gehört Zankls Betrieb mit 250 Hektar zu den größten im Landkreis. Ein offenes Gespräch darüber, wie es läuft.

Gilching – Das Treffen findet beim Sonnenblumenfeld der Zankls Ecke Talhofstraße/Weßlinger Straße in Gilching statt. Neben Georg Zankl springt auch seine Ehefrau Maria-Theresia aus dem Auto. Mit einem Zentimeterstab steht Georg Zankl dann gleich strahlend zwischen den prächtigen gelben Köpfen und misst. 1,60 Zentimeter sind sie hoch. „Es ist einfach ein gutes Jahr“, sagt er.

Herr Zankl, Ihr landwirtschaftlicher Betrieb zählt mit 250 Hektar zu den größten im Landkreis. Sie sind der erste hier in dieser Größenordnung, der auf ökologische Landwirtschaft umgestellt hat. Warum?

Georg Zankl: Ich habe 20 Jahre für eine Saatgutfirma gearbeitet und bin viel herumgekommen in ganz Oberbayern. Dabei habe ich gesehen, dass der ökologische Landbau auch im Großen funktionieren kann. Ich habe dann mit vielen Kollegen gesprochen, und über die Jahre ist in meinem Kopf die Idee langsam gewachsen. Eigentlich ist der Gedanke dann immer stärker geworden, es hat mich dann regelrecht gedrängt. Wir haben dann miteinander entschieden, es zu versuchen.

Maria-Theresia Zankl: Ich komme ohnehin aus einem Öko-Haushalt. Natürlich habe ich das befürwortet, aber so etwas muss ja auch umsetzbar sein. Wir haben lange überlegt.

Das Kilo Schweinefleisch kostete bis zum Frühjahr 2022 1,20 Euro. Für das Geld verdient kein Tier, zu sterben.

Sie haben dann erst versucht, ihre Schweinemast umzustellen.

Georg Zankl: Ja, wir hatten eine Mast mit 1200 Tieren. Die Schweinehaltung ist schon seit Jahren in der Krise. Es war immer schwierig, aber die Auflagen wurden auch immer höher, bei sinkenden Erträgen. Also haben wir gesagt: Wir mästen jetzt 700 Bio-schweine. Dann haben wir mit den Planungen begonnen. Doch die Kosten sind immer weniger kalkulierbar geworden. Wir hätten natürlich auch nur 100 Bioschweine einstellen können. Aber das Futtergetreide ist einfach zu teuer. Es hat mal 13, 14 Euro pro 100 Kilo gekostet, jetzt sind es 30 Euro, Ökofutter kostet 40 Euro. Und ich brauche für ein Schwein etwa 300 Kilo Futter, bis es ausgemästet ist. Du musst also viel vorfinanzieren und hast viel Risiko, die Marge ist aber kleiner. Grundsätzlich ist konventionelle Schweinemast auch eine moralische Frage: Das Kilo Schweinefleisch kostete bis zum Frühjahr 2022 1,20 Euro. Für das Geld verdient kein Tier, zu sterben. Der Anteil von biologischem Schweinefleisch beträgt deutschlandweit gerade mal 0,7 Prozent. Wir hören jetzt auf damit.

Also keine Schweine mehr bei Zankls. Was geschah dann auf den Feldern?

Maria-Theresia Zankl: Ich habe bei Naturland angerufen. Die kamen dann auch, um sich den Betrieb anzusehen. Wir haben lange Gespräche geführt.

Georg Zankl: Und dann haben wir investiert. Denn für die ökologische Bearbeitung brauchst du andere Geräte, und da darf man nicht sparen. Am wichtigsten ist der Striegel. Der kämmt die Unkräuter raus. Meiner ist zwölf Meter breit und hat 511 Zinken. Über 30 000 Euro hat er gekostet. Insgesamt haben wir um die 100 000 Euro investiert. In den ersten zwei Jahren produzierst du dann nur Tierfutter. Weil es zwei Jahre dauert, bis der Boden entgiftet ist.

Wie haben Ihr Vater, Kreisobmann Georg Zankl, und die Kollegen reagiert?

Georg Zankl: Mein Vater war immer sehr offen. Von anderen habe ich mir aber schon ganz schön viel anhören müssen. Viele haben zu mir gesagt: Wir wünschen Dir Glück, aber Du wirst scheitern. Ich habe daher gar nicht mehr viel erzählt, sondern erst mal geschaut, wie es läuft.

Ich bereue nicht, dass ich es gemacht habe. Es fühlt sich einfach besser an so.

Und wie läuft es nun? Wie sehen Ihre Felder aus?

Georg Zankl: Sehr gut, viel besser als erwartet. Wir haben natürlich auch vom Wetter her ein gutes Jahr, das verfälscht das Ergebnis ein bisschen. Auch wenn es mittlerweile zu trocken ist. Ich muss aber schon sagen, wenn ich das früher gewusst und beispielsweise einen Striegel gekauft hätte, dann hätte ich mir auch als konventioneller Landwirt viel Geld gespart.

Erklären Sie das bitte genauer.

Georg Zankl: Ich brauche heute zwar mehr Manneskraft. Wenn der richtige Zeitpunkt da ist, muss man raus. Da kann ich nichts mehr verschieben. Dafür aber zahle ich nichts mehr für die Chemie. Es ist doch so: Normalerweise brauche ich für etwa einen Hektar 500 Euro für Agrarprodukte, Pestizide und Dünger. Wenn es dann trocken ist oder irgendwas anderes schief geht, rutscht der Ertrag auch schnell mal ins Negative. Ich kann auch nicht immer mit der Spritze rausfahren, da muss das Wetter und alles passen. Mit dem Striegel hätte ich mir auch als konventioneller Landwirt viel Chemie sparen können, wenn ich den früher gehabt hätte.

Maria-Theresia Zankl: Es muss und soll ja nicht jeder Bio machen. Aber so ein Zwischending, das würde auch schon weiterhelfen. Und dafür ist der Striegel gut. Ab und zu mal striegeln statt zu spritzen, das geht auch in einem konventionellen Betrieb. Weniger spritzen, dafür mehr mechanische Arbeit.

Was ist denn noch ein Vorteil zum konventionellen Ackerbau?

Als Öko-Landwirt habe ich jetzt mehr mit meinen Böden zu tun. Da findet mehr Interaktion statt. Das fühlt sich gut und richtig an. Ich war so im Zweifel. Ich habe immer gedacht, dieser Kreislauf aus düngen, dann spritzen, das ist doch verrückt. Ich war eigentlich immer nur am kämpfen. Und dann musst du dir auch immer was anhören von den Leuten, wenn du mit der Spritze rausfährst.

Maria-Theresia Zankl: Für die ganze Familie hat die Umstellung eine Änderung gebracht. Die Kinder haben schon auch in der Schule Verachtung erfahren, vor allem wegen der Schweinemast. Der Druck ist abgefallen. Dabei ist das schon auch ein zweischneidiges Schwert in unserer Gesellschaft. Neulich hatte ich eine Diskussion, da ging es um das Tierwohl. Wenn man dann über Mindestpreise beim Fleisch redet, ist aber ganz schnell Schluss mit dem Tierwohl. Ich glaube auch nicht, dass alle, die meckern, im Bioladen oder Bioware kaufen.

Was wächst jetzt auf Ihren Feldern?

Georg Zankl: In den nächsten zwei Jahren wird alles zu Tierfutter. Ich baue 40 Hektar Soja an, 50 Hektar Winterweizen, 50 Hektar Sommergerste, 32 Hektar Triticale (Getreideart), 25 Hektar Biomais, sechs Hektar Lupinen, sechs Hektar Erbsengemenge und zwei Hektar Ackerbohnen. Ich habe mich dazu verpflichtet, fünf Jahre ökologisch zu wirtschaften – und mir eine sehr anspruchsvolle Fruchtfolge ausgesucht. Mich hat das einfach interessiert.

Wie wird das kontrolliert, was Sie auf Ihren Feldern tun?

Maria-Theresia Zankl: Es gibt eine Prüfstelle. Die kommen immer wieder vorbei, mit zwei, drei Tagen Vorlauf. Die schauen auch ganz genau hin.

Georg Zankl: Man sieht ja, wie und ob ein Feld gespritzt wird. Die schauen sich die Gerätschaften an, die Lieferscheine für das Saatgut und so weiter. Das sind Profis, die merken sehr schnell, ob es einer ernst meint. Mein Weizen zum Beispiel, der wächst jetzt nicht mehr so dicht. Da kommen dann auch mal Wurzeln und Kräuter durch, oder Kornblumen. Heute freue ich mich darüber. Denn jede Pflanze, die außer der Reihe wächst, zeigt dir was. Das Wissen darüber ist aber verloren gegangen. Disteln beispielsweise sind zwar ärgerlich. Aber sie sagen dir auch: Das ist ein guter Boden. Nur bei den Sonnenblumen ist es für die Prüfer schwer, zu sehen, ob ich da sauber unterwegs bin. Die sind einfach auf und davon gewachsen und von allein besonders schön geworden dieses Jahr.

Was geschieht denn mit den Sonnenblumen – die sind doch eher kein Tierfutter?

Georg Zankl: Üblicherweise baut man im ersten Umstellungsjahr keine Sonnenblumen an. Ich wollte das einfach mal ausprobieren. Wir werden aus ihnen konventionelles Öl machen lassen, das ist ja ohnehin gerade knapp. Diese Ökoware wird also konventionell verkauft.

Was gibt es noch für Unterschiede zur konventionellen Landwirtschaft?

Georg Zankl: Die Gemeinschaft unter den Biolandwirten ist größer. Da rufe ich den Kollegen an und hole mir Tipps. Zum Beispiel beim Soja. Das sähst du, dann musst du es zudecken, wieder was wegstriegeln. Das ist ein bissl Gefiesel, aber es lohnt sich. Und da kann man sich beratschlagen. Leichter macht das Ganze auch, dass dir nicht mehr der Weltmarkt diktiert, wie die Sache läuft. Sondern du bist in einem kleineren, übersichtlichen Kosmos unterwegs.

Maria-Theresia Zankl: Beim Schweinefleisch beispielsweise waren wir abhängig vom Weltmarkt. Der diktiert dir den Preis. Wenn ich aber Bioschweine mäste, dann interessiert nur, was Naturland mit Rewe beispielsweise für einen Preis ausmacht. Der hält dann auch einige Zeit.

Georg Zankl: Und im Schlachthof interessiert keinen, womit du das Schwein konventionell gefüttert hast, mit billigem Soja aus Brasilien, oder teurem aus Europa. Es ist eine harte Branche.

Es muss aber doch auch Nachteile geben bei der Umstellung.

Georg Zankl: Manche Biobauern schimpfen, weil sie ihre Ware nicht vermarktet kriegen. Man muss schon viel herumtelefonieren und Abnehmer suchen. Das gilt auch für uns, wenn wir dann 2024 Getreide für den menschlichen Verzehr produzieren. Dann muss ich auch einen Bäcker finden und mir gut überlegen, was ich anbaue. Wir haben aber das große Glück, ein großes Lager zu haben. Wir haben eine ideale Infrastruktur und können ganz in Ruhe nach Abnehmern schauen. Das ist natürlich ein sehr großer Vorteil.

Was ist dann doch schiefgegangen?

Georg Zankl: Also mit den Krähen hatten wir beim Mais schon Ärger. Biomais ist die Königsklasse. Im konventionellen Anbau beizt du den Mais mit Bitterstoffen. Bis vor zwei, drei Jahren war da ein Nervengift, Mesurol, erlaubt. Das schadet auch den Bienen und wurde verboten. Jetzt nimmt man ein abgeschwächtes Gift. Im ökologischen Anbau verwenden wir einen Hopfen-Bittersäureextrakt. Mit fünf Litern davon kannst du aus 25 000 Litern Augustiner ein Jever machen, so bitter ist das. Einem Kollegen haben sie trotzdem zweimal das Feld leer geräumt, die Krähen. Man muss den ökologischen Bitterstoff auch sofort verwenden, der verfällt binnen Stunden. Das Mesurol hat sich damals Jahre gehalten. Aber wie gesagt, es ist jetzt auch verboten.

Marie-Theresia Zankl: Die Krähe weiß genau, wo die Körner liegen. Und dann lädt sie noch ihre Freunde ein. Sie haben aber nur zwei Ecken rausgefressen bei uns. Sie konnten wohl nicht ganz glauben, dass es essbar ist.

Hatten Sie Angst, dass die Umstellung misslingt?

Georg Zankl: Ich hatte keine schlaflosen Nächte, dazu mache ich das Geschäft schon zu lange. Aber unsicher war ich schon. Und ich bin froh, dass es nun so ein gutes Jahr geworden ist bisher und so gut läuft. Das kann nächstes Jahr anders aussehen. Die Natur lässt sich nichts diktieren. Es ist aber immer besser, man arbeitet mit ihr als gegen sie. Ich bereue nicht, dass ich es gemacht habe. Es fühlt sich einfach besser an so.